Es ist möglich, im sofortigen Anschluss an die Gesellenprüfung einen Meisterkurs zu belegen. Geht man davon aus, dass Paul mit sechs Jahren eingeschult sowie neun Jahre beschult wurde, beginnt er mit 15 seine Ausbildung, erhält mit 18 seinen Gesellenbrief, meldet sich sofort zur Meisterprüfung an und kann, wenn alles gut läuft, im jungen Alter von 20 Jahren seinen Meisterbrief in Händen halten. Erfahrung? Fehlanzeige! Dennoch fühlt er sich berufen, seine Lehrerkarriere am Staats­institut zu starten. Da einschlägige betriebspraktische Erfahrung von mindestens drei Jahren nach Abschluss der beruflichen Erstausbildung eine Voraussetzung darstellt, um zum Vorbereitungsdienst zugelassen zu werden, könnte man vermuten, dass Paul in dieser Zeit Erfahrungen sammeln kann. Theoretisch schon, doch ob und wie sich ein Meister um die Entwicklung seiner Fachkompetenzen bemüht hat, wird in der Zulassung zum Vorbereitungsdienst nicht mehr überprüft. Außerdem kommt noch hinzu, dass die einzelnen Meisterschulen in ihrem Anforderungsniveau unterschiedlich sind. Meister ist demnach nicht gleich Meister, und fachliche/theoretische Mängel merkt man erst, wenn die Ausbildung zum Fachlehrer bereits in vollem Gange ist. Der Unterricht an einer Berufs­schule fordert den ganzen Fachlehrer, d.h. den Meister ebenso wie den Pädagogen. Tiefgang im Wissen um die praktischen und theoretischen Inhalte seines Gewerks sind bedeutend, nicht zuletzt, um fachliche Autorität, eine tragende Säule des Fachlehrers, täglich beweisen zu können. Konflikte und Probleme sind vorprogrammiert, sollte ein Fachlehrer über weniger fachliche Kompetenzen verfügen als seine Schüler. Ein 30 bis 45-minütiger Lehrversuch reicht nicht aus, um neben einer pädagogischen/ didaktischen Eignung auch eine fachliche Qualifikation zu beurteilen, aber die steht bei diesem Lehrversuch leider auch nicht auf dem Prüfstand. In der folgenden Ausbildung zum Fachlehrer ist die Vermittlung/Vertiefung fachlicher Inhalte nicht mehr vorgesehen. Fachwissen wird also nicht mehr hinterfragt, es wird vorausgesetzt, denn eine Meisterprüfung wurde ja abgelegt. Ein Fehler, denn wie anfangs schon erwähnt, liegen diesem Wissen unterschiedliche Niveaustufen zu Grunde.
Hat unser Protagonist nun das Rennen gemacht, d.h. sein Lehrversuch war der beste, darf er an der Deutschprüfung, die vom Niveau anscheinend gut zu bewältigen und mit der Note "ausreichend" noch bestanden ist, teilnehmen. Es ist leider nicht mehr vorgesehen, Grundlagen der Allgemeinbildung explizit zu prüfen. Im Merkblatt zur Ausbildung für das Lehramt der Fachlehrer für gewerblich-technische Berufe findet sich folgende Textstelle: "Alle Bewerber müssen sich einer Einstellungsprüfung unterziehen. Die Einstellungsprüfung soll zeigen, ob die sich bewerbende Person auf Grund ihrer Kenntnisse, ihrer Fähigkeiten und ihres Arbeitsverhaltens die Eignung für den Vorbereitungsdienst in der Laufbahn des Fachlehrers an beruflichen Schulen besitzt …" "Einstellungsprüfung" ist ein beeindruckendes Wort, wenn man bedenkt, dass es sich "nur" um den schon erwähnten maximal 45-minütigen Lehrversuch und einen Deutschtest handelt. Bleiben wir jedoch bei unserem Beispiel: Paul ist jetzt 23 Jahre alt und unterrichtet nach dem erfolgreich absolvierten Vorbereitungsdienst im Alter von 24 Jahren Menschen, die kaum jünger sind als er. Wir sprechen von einer Ausbildung zum Lehrer - sollte man da im Vorfeld nicht genauer hinsehen und die Eignung differenzierter hinterfragen? Das Alter ist selbstverständlich nicht ausschlaggebend, aber bezüglich der Kompetenzen und der menschlichen Reife, die ein angehender Fachlehrer mitbringen sollte, doch bedenkenswert. Ein Mindestalter ist nicht vorgesehen, ein Höchstalter gibt es allerdings! Letzteres hat bekanntlich beamtenrechtliche Hintergründe, einem 45 Jahre alten Meister bleibt der Weg zum Fachlehrer im Normalfall verschlossen. Erfahrung, Reife und Kompetenz hätte er vermutlich reichlich zu bieten!
Die Ausbildung am Staatsinstitut sieht vor, dass der Fachlehreranwärter an drei Tagen pro Woche im Institut unterrichtet wird, die fachdidaktische/praktische Ausbildung an der Heimatschule betreut ein Mentor. Das Wegfallen der Hospitationsschulen, und damit der erfahrenen Mentoren, bedeutet meiner Meinung nach eine deutliche Verschlechterung der Ausbildungsqualität. Das Heimatschulprinzip bedingt jedes Jahr neue Mentoren, weshalb deren Einarbeitung und somit eine kontinuierliche Qualitätsverbesserung so gut wie ausgeschlossen ist. Da es keine Qualitätsstandards für dieses Amt gibt, kann folglich jeder Fachlehrer - bereits sofort nach der Ausbildung - Mentor werden. Mindestkriterien, die ein Mentor mitbringen sollte, werden nicht konkretisiert. Die Würfel entscheiden. Die Ausbildung eines Fachlehrers darf aber kein Glücksspiel sein! Bleibe ich beim Beispiel von Paul, könnte dieser dann nach erfolgreich absolviertem Vorbereitungsdienst mit 24 Jahren sofort Mentor werden. Was für eine Karriere! Aber auch dann: Erfahrung - Fehlanzeige! Der Lernfeldunterricht ist endgültig an den bayerischen Berufsschulen angekommen, die Anwärter werden am Staatsinstitut diesbezüglich ausgebildet. Da es kein Anforderungsprofil für einen Mentor gibt, kann er sich auch an keinen Standards orientieren. Ein Mentor sollte außerdem mehr zu bieten haben als sein fachliches Repertoire. Das menschliche Miteinander sollte von einer wertschätzenden, respektvollen Grundhaltung geprägt sein. Dies wird von so manchem Anwärter schmerzlich vermisst. Einräumen könnte man nun, dass es Regionalmentoren gibt, die ein Bindeglied zwischen dem Staatsinstitut und dem Mentor darstellen, ihn betreuen und beratend zur Seite stehen. Sozusagen der Mentor für den Mentor. Soweit, so gut. (Es sei dabei nur am Rande erwähnt, dass auch für diese Aufgabe keine Auswahlkriterien vorgesehen sind.) Wie sollten die Regionalmentoren das unter Umständen mangelnde Engagement eines Mentors oder dessen fehlende Qualifikation kompensieren? Selbst wenn sie in der Lage dazu wären, welche Handhabe hätten sie denn? Keine Kriterien - keine Überprüfung - keine Messbarkeit - folglich keine Konsequenz. Richtig schwierig wird es, sollte sich während der Ausbildung herausstellen, dass sich ein Fachlehreranwärter als ungeeignet erweist (ein Punkt, den man im Vorfeld bei einer gezielteren Überprüfung ausklammern könnte). Für diesen Fall gibt es noch keine befriedigende Lösung.
Nur ein gut ausgebildeter, qualifizierter Fachlehrer kann verlässlicher Wegbegleiter für seine Schüler im vielschichtigen Schulleben sein und seinen Beruf mit Freude und Begeisterung ausüben. Da lohnt es sich, die Eignung eines Meisters im Vorfeld kritischer zu überprüfen. Allein der Wunsch, Lehrer zu werden, reicht nicht aus. Um bei den Schülern und den Lehrerkollegen bestehen zu können, braucht es eine hochqualifizierte Ausbildung der Fachlehrer. Ohne dem Leser zu nahe treten zu wollen: Die unausgesprochene, aber oft spürbare Kluft zwischen dem Fachlehrer und dem höheren Dienst wird sich durch oberflächlich ausgebildete Fachlehrer nicht verbessern. Auch deshalb wäre es wichtig, Kriterien festzulegen, die eine Eignung zum Mentor so klar wie möglich definieren. Erfahrungen kann nur sammeln, wer die Möglichkeit hat zu wachsen und sich weiter zu entwickeln. In nur einem Jahr ist das kaum zu leisten. Wo sollte auch die Motivation für einen Fachlehrer liegen, für nur ein Jahr Mentor zu werden? Qualität und Verbesserung erreicht man unter anderem durch Reflexion, und das braucht Zeit. Stellt sich - trotz aller Umsicht - während der Ausbildung heraus, dass beim Anwärter Beruf und Berufung voneinander abweichen, sollte es eine adäquate Lösung zur Korrektur geben, um traurige Folgen für alle Beteiligten abzuwenden. Nur hochqualifizierte Fachlehrer sind in der Lage, zusätzliche Herausforderungen wie QmbS erfolgreich mit zu tragen sowie die nächste bevorstehende Welle, die den Namen "Inklusion an bayerischen Berufsschulen" trägt, ruhig ans Ufer zu bringen und dafür zu sorgen, dass solche überaus notwendigen Projekte nicht im Sande verlaufen. "Es ist nicht sicher, ob es besser wird, wenn es anders wird, aber es muss anders werden, wenn es besser werden soll." (Björn Engholm)
 
Übrigens: Paul, der gut durch dieses Schuljahr gekommen ist und seine dreistündige Lehrprobe erfolgreich abgelegt hat, unterhält sich mit Paula, einer Kollegin, die ihm erzählt, dass ihre Lehr­probe nur zwei Stunden gedauert hat. Auch das Thema ihrer Lehrprobe, das Paul korrekterweise eine Woche vor dem Termin erfuhr, wusste sie schon viel früher. Paul wurde in den ersten 45 Minuten seiner LP geprüft, Paula in den letzten 45 Minuten. Er liest in der Prüfungsordnung nach und findet §20, der aussagt, dass für eine Lehrprobe 45 Minuten vorgesehen sind. Auf Antrag des Anwärters oder der Prüfungskommission kann die zweite Lehrprobe 90 Minuten umfassen. Paul wäre auch lieber in der letzten Stunde geprüft worden, weil da seine Stärken liegen und zwei Stunden wären ihm deutlich lieber gewesen als drei. Er kommt ins Grübeln. Fair ist das nicht, denkt sich Paul, der sich darauf verlassen hatte, dass die Bedingungen für alle Prüflinge gleich sind. Chancengleichheit bzw. Gleichbehandlung hatte er sich anders vorgestellt.
 
Ein Überdenken der Fachlehrerausbildung ist notwendig, nicht zuletzt um allen engagierten und bemühten Beteiligten, sei es nun Fachlehreranwärter, Mentor oder Regionalmentor, die nötige Wertschätzung für ihre Arbeit entgegenzubringen, ein gewisses Maß an "Frustschutz" zu ermöglichen und die nötige Fairness sicher zu stellen.
 
Susanne Heydrich                                    Stefanie Scholz-Markacz
Fachlehrerin                                                Fachlehrerin

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